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„Magneto“ ist kein Bösewicht. Oder: Kleinflugzeuge und ihre Motoren.

MacGyver, ABC

„Magneto“ ist kein Bösewicht. Oder: Kleinflugzeuge und ihre Motoren.

Warum man Propeller immer als „aktiv“ betrachten sollte, ist für die Meisten keine Frage: Es könnte ja jemand den Starter betätigen.

Die Gefahr von Propellern, ganz besonders bei Kleinflugzeugen wie Cessna, Piper, Cirrus und Co, ist aber vielschichtiger, als man zuerst denkt.

Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit

Mit wenigen Ausnahmen sind praktisch alle Flugzeugmotoren in Kolbentechnologie nicht mit einer elektrischen Zündung ausgestattet, wie man sie aus PKW kennt: man verlässt sich eben nicht auf das Vorhandensein eines funktionierenden elektrischen Bordnetzes, sondern betrachtet den Motor als „Selbsterhaltendes System“.

Ist beim PKW keine Batterie installiert und die Zündung nicht eingeschaltet, ist die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Anlaufen des (Benzin-)motors praktisch null.

Das liegt daran, dass die Zündanlage in Benziner-PKW eine ausreichende Spannung von der Batterie benötigt, um einen Zündfunken an der (meist einzeln pro Brennraum vorhandenen) Zündkerze zu erzeugen.

(Der Sonderfall des Diesel Motors, der – zumindest in der Theorie – keine elektrische Spannung für den Betrieb benötigt, lassen wir hier aus. Vor allem auch, weil dieser Fall seit der Einführung der (elektrischen) Hochdruckeinspritzung beim Diesel keine Rolle mehr spielt. Und ja, mein W123 Baujahr 1982 konnte das noch…)

Der Zündfunke

(Flug-)benzinmotoren benötigen einen Zündfunken, um das während der vier üblichen Takte in den Brennraum geleitete Gemisch zu zünden. Dieser Zündfunke wird, wie beim PKW auch, elektrisch erzeugt.

Der große Unterschied ist, dass bis heute die meisten Flugmotoren bei Leichtflugzeugen (Nicht: Ultraleicht Flugzeugen) den nötigen Strom für diesen Zündfunken nicht aus der Batterie beziehen, sondern selbst erzeugen: Ähnlich wie früher bei „Fahrrad Dynamos“ existiert ein sogenannter „Magneto„, der sich zusammen mit der Kurbelwelle des Motors dreht und, ähnlich den „Dynamos“ Strom erzeugt.

Dieser Strom steht dann für die Zündung zur Verfügung.

Läuft so ein Flugmotor (Continental, Lycoming, um die zwei Marktführer zu benennen) einmal, wird er von einer sterbenden Batterie oder einer versagenden Lichtmaschine nicht daran gehindert, weiter zu laufen. Der limitierende Faktor ist in erster Linie die Menge an mitgeführtem Treibstoff.

Doppelt gemoppelt hält besser

Damit der Motor auch wirklich so zuverlässig wie möglich läuft, besitzen diese Motoren dieses Zündsystem doppelt: in jedem Zylinder sind gleich zwei Zündkerzen untergebracht, die zusammen nicht nur eine besser Verbrennung ermöglichen, sondern eben auch dazu in der Lage sind, den Motor mit minimalsten Leistungsverlusten (die nur durch einen etwas rauheren Motorlauf und einen geringen Abfall der Drehzahl zu erkennen sind) in Betrieb zu halten.

Dabei hat ein Zündsystem die Verantwortung der „Linken“ Reihe an Zündkerzen, das andere Zündsystem die Verantwortung für die „Rechts“. Ein Zündsystem, ein Magnet, eine Reihe Zündkerzen.

Die „Linken“ Zündkerzen zünden kurz vor dem idealen Zündzeitpunkt, die „Rechten“ Zündkerzen zünden kurz nach diesem. Gemeinsam ergeben sie einen ruhigen und „runden“ Motorlauf mit hoher Effizienz.

Nicht alle Kinder sind gleich

Auch hier der Sonderfall „Ultraleichtflugzeug“, die heute in der „Performance“ Klasse von Laien kaum mehr von den üblichen Leichtflugzeugen unterschieden werden können. Die dort zumeist verwendeten Motoren der Firma Rotax besitzen eine Zündung, die ähnlich der von PKW aufgebaut ist. Auch die Flugdiesel der in Modellen der Firma Diamond Aircraft (Friedrich Merz, Sylt, remember?) eingebauten Maschinen, die mit viel Aufwand aus einem PKW Motor von Mercedes entwickelt wurden, besitzen eine rein elektrische Zündung. Das ist heute kein Zuverlässigkeitsproblem mehr, da die Technologie in Sachen Elektrik heutzutage doch fortgeschrittener ist, als sie früher war.

Läuft, läuft nicht, läuft.

Leider sind Flugzeugmotoren dieser Entwicklungsstufe Diven. Der Anlaßvorgang ist deshalb schon auf „Brot und Butter“ Niveau, also ohne Einspritzung, Turbolader, Kompressoren und eingebauter Espressomaschine, nicht trivial. Und: jedes Exemplar ist ein Individuum.

Setzt man sich auf die Terasse der Flugplätzchen-Gastronomie-der-Wahl und beobachtet den Motorstart der verschiedenen Maschinen nach längerer Standzeit, bietet sich ein breites Spektrum an „Techniken“, überraschende Erfolge und reichlich Versagen. Und ab und zu ein Motorbrand. Aber dazu mal in einem anderen Artikel mehr.

Manche Motoren „laufen gerne“. Sie sind nach Handbuch zu starten oder laufen sogar kalt und nach Wochen- und Monatelanger Standzeit „einfach so an“.

Manche Motoren zicken. Selbst mit externer Stromquelle, Handbuch und „Das haben wir schon vor 30 Jahren so gemacht um die Hobel zum Laufen zu bekommen“ Magie ist es oft ein Glücksspiel, sie überhaupt zur Arbeit zu bewegen.

Und das ist kein Effekt einer besonderen Baureihe, eines Baujahrs oder ähnlichem. Diese Motoren haben „Charakter“.

Und das ist auch für den Kern dieser Zeilen wichtig, denn dieser „Charakter“ bezieht sich nicht nur auf Kaltstarts nach Einlagerung. Sondern noch mehr auf das erneute Starten im (halb-)warmen Zustand. Denn es gibt Motoren, die buchstäblich auf „gutes Zureden“ starten.

Oder anders: Steht einer der Zylinder kurz vor dem Zündzeitpunkt, ist der Motor noch ein bisschen warm und von der „willigen“ Sorte, reicht bei diesen Motoren buchstäblich eine Bewegung von ein paar Zentimeter (!) am Propeller, um sie starten zu lassen. War dann noch evtl. der Pilot nachlässig und hat nicht nach Checkliste abgestellt, ist evtl. noch etwas (oder die volle) Kraftstoffzufuhr vorhanden und/oder sogar der Schubhebel noch oberhalb von Leerlauf.

Das Resultat ist ein bis zu 2700 Umdrehungen schnelles und bis zu 190cm Durchmesser großes Häckselwerk, das sich rasant nach vorne bewegt.

Einspruch!

Der geneigte Leser erwähnt an dieser Stelle nun empört, dass die Magnete ja nicht immer Strom liefern, denn die Zündung wird ja beim Abstellen des Motors lahm gelegt: Zündschalter oder Zündschloß schließen die Magnete gegen Masse kurz, so dass kein Strom fließen kann, selbst wenn der Propeller bewegt wird.

Das ist richtig.

In der Theorie.

In der Praxis sieht es leider so aus, dass diese Masseverbindung(en) alles andere als zuverlässig sind. Große Temperaturschwankungen, andauernde Vibrationen und nicht zuletzt der mächtige Zahn der Zeit sorgen gar nicht so selten dafür, dass dieser Kurzschluß nicht oder nicht vollständig vorhanden ist.

Und dann wird’s böse.

Deshalb bläut (hoffentlich) jeder Fluglehrer seinen Schülern ein, niemals gar nie nicht niemals ohne Grund und ohne Absicherung in die Nähe des Propellers zu kommen.

Zwar gibt es immer noch die „Zieh den Flieger am Propeller, der zieht Dich ja auch in die Luft“ Fraktion, aber die Meisten sind dieser Tage vernünftig geworden. (Es gibt auch noch andere Gründe, das Kleinflugzeug nicht am Propeller zu ziehen…)

Geschwätz!

…ist das Nächste, das man hört. Denn so ein Kolbenschüttler(sic!) wird ja auch mit schwacher Batterie gerne „von Hand angeworfen“ und dabei wird der Propeller ja auch gedreht.

Auch richtig.

Aber halt nicht in dem Fall: Beim Von-Hand-anwerfen des Motors ist der Bediener geschult, es sitzt ein Pilot im Cockpit, der Gashebel ist auf oder in der Nähe des Leerlauf und man ist darauf gefasst, dass das Häckselwerk zu laufen beginnt.

Und trotzdem ist es brandgefährlich und verursacht immer wieder schwere bis schwerste Verletzungen. Weswegen es dieser Tage kein Mensch mehr macht. Dafür gibt es Startwagen mit externen Batterien.

Und ja, ich erinnere mich an einen tödlichen Unfall im Propellerkreis vor einigen Jahren. Da war das Opfer sogar Flugzeugmechaniker.

MacGyver

Und hier kommt das Fazit: Flugzeugmotoren der Kolben-Klasse sind unberechenbar und selbst mit guter Wartung nicht vertrauenswürdig, was das plötzliche Loslaufen angeht. MacGyver, der sich lässig über den Standard-Prop lehnt ist zwar fotogen, aber kein Vorbild. So richtig gar nicht.

(Beitragsbild: MacGyver, TV Serie von ABC, Screenshot, mit KI aufgehübscht)

„Magneto“ ist kein Bösewicht. Oder: Kleinflugzeuge und ihre Motoren.
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