Warum gerade die Landeklappen oft Probleme machen – Alles-ums-Fliegen.de
Flugzeuge und ihre Klappen sind immer wieder Inhalt von Zeitungsartikeln, Stammtischgesprächen und Urlaubserzählungen.
Grundtenor dabei: „Die Dinger fallen dauernd aus“
Spätestens nachdem die immer gleichen Medien und „Social Media Experten“ jahrelang die Flugbereitschaft der Bundesregierung für die Flugausfälle wegen des Klappensystems des verwendeten Airbus A340-300 durch den Kakao gezogen haben, ist das Thema in aller Munde.
Aber kaum jemand weiß wovon er da spricht.
Generell stimmt der Einwand, eine „Landeklappe“ sei ein einfaches mechanisches System.
Bei Klein(st)flugzeugen mit einfachen Klappensystem.
Und selbst da kann es zu lebensgefährlichen oder den Betrieb störendem Versagen kommen.
Deshalb mal eine kleine Übersicht: Einfache Klappen, Hochleistungsklappen, ihre Steuerung, ihre (Fehl-)funktionen.
Einfache Klappensysteme
Die einfachste „Klappe“ ist die sogenannte Wölbklappe.
Bei ihr wird im hintersten Bereich der Tragfläche ein Gelenk angebracht, das eben diesen Teil „tiefer“ stellen kann. Es wird nach unten geschwenkt.
Da im hinteren Bereich der Tragfläche im Langsamflug nur geringe Kräfte wirken und in den flacheren Einstellungen kaum aerodynamische Kräfte vorhanden sind, kann eine solche Klappe sehr einfach gestaltet sein und wird in Flugzeugen unter zwei Tonnen häufig sogar „von Hand“, d.h. ohne Elektromotor oder Hydraulik betätigt.
Die Wölbklappe bietet eine Steigerung des Auftriebskoeffizienten (ein ganz wesentlicher Faktor des Auftriebs bei Tragflächen, man kann diesen Wert grob 1:1 als „Auftrieb“ übernehmen wenn man Systeme vergleicht, um rund 30-60 Prozent.
Sie ist einfach zu warten, zuverlässig und kostengünstig.
Sie ist für langsam fliegende Flugzeuge und Flugzeuge, die im Regelfall reichlich „Piste“ zur Verfügung haben, ausreichend und schont das Budget. Sie ist robust und besitzt keine „hinterhältigen“ Eigenschaften.
Hinterhältig?
Ja, hinterhältig: Klappen erzeugen neben zusätzlichem Auftrieb immer auch zusätzlichen Luftwiderstand. Das ist zur Verlangsamung bei der Landung gewünscht, beim Start weniger und erzeugt je nach Flugzustand zusätzliche „Arbeit“ für die Besatzung.
Je nachdem, wie die Tragfläche des Flugzeugs angebracht wird, erzeugt das Ausfahren der Klappen an dieser Stelle ein Bremsmoment.
Bei einem Hochdecker also oberhalb der vertikalen Mitte mit der Folge, dass dieser Hochdecker (Cessna, als Beispiel) die Nase hoch nimmt. Das ist, wenn nicht gleichzeitig kompensiert, für die Passagiere kein gutes Gefühl, denn es startet eine Art Mini-Achterbahn. Die Nase geht hoch, das Geräusch nimmt zu, gleichzeitig wird das Flugzeug „langsamer“ der Referenzpunkt „Boden“ beim Blick nach vorne verschwindet. Das alles gefolgt von der Ausgleichsreaktion „Drücken“, bei der die Nase wieder runter geht, der „Sitz leichter wird“, mehr Boden als vorher zu sehen ist… nichts, was ein Passagier mit Flugangst erleben will.
Bei einem Tiefdecker ist es anders herum. Das Fahren der Klappen senkt die Nase. Was es in diesem Flugzustand für den Piloten einfacher und den Passagier angenehmer macht. Aber…
Klappen werden nicht nur aus-gefahren, sie werden auch wieder ein-gefahren.
Muss ein Flugzeug nun beispielsweise kurz vor dem Aufsetzen durchstarten, weil ein Objekt oder ein anderes Fahr- oder Flugzeug auf der Landebahn ist (oder aus einem von zahlreichen anderen Gründen dafür), muss die Klappenstellung zurück gefahren werden, auf einen Wert der einen ordentlichen Steigflug ermöglicht.
Neben der Tatsache, dass dabei generell auf Auftrieb verzichtet werden muss, die Nase höher genommen werden muß als vorher und die Mindestgeschwindigkeiten höhere Anforderungen erhalten (höher werden -> Gefahr eines Strömungsabriß), kommt es dabei auch zu den gerade beschriebenen „Pitch“ Änderungen: Beim Hochdecker fällt die Bremswirkung „oben“ weg, er nimmt die Nase runter. Das ist in extremer Bodennähe ein Grund für extra-Wachsamkeit, weil man ja eh nicht mehr viel „Platz nach unten“ hat, beim Tiefdecker aber noch brisanter: Der Wegfall der Bremswirkung unterhalb des Drehpunkts um die Querachse erzeugt einen „Nase nach oben“ Effekt, den man in diesem Moment überhaupt nicht haben will, da man ja nicht noch langsamer werden will, wenn man dem Flugzeug gerade eben erst Auftrieb durch die Klappen geraubt hat. Dazu kommt ja auch noch, dass beim Durchstarten durch die maximale Motorleistung sowieso „alles nach oben will“.
Und hier spielt die Wölbklappe ihren größten Vorteil aus:
Wird sie nicht maximal (je nach Flugzeugtyp 30-40 Grad, manchmal mehr) genutzt, sondern nur teilweise (bis 20-25 Grad), ist dieser Effekt minimal.
Dieses Verhalten hat wenig mit der Problematik von versagenden Klappen zu tun, es soll nur ein Einstieg darin sein, wie hochkomplex die Auswirkungen von Klappensystemen auf das Flugverhalten und das notwendige Training der Besatzungen ist.
Je schwerer und schneller ein Flugzeug ist und je mehr es um jeden Meter „Landebahn schachern muss“, desto komplexer werden die Klappensysteme. So komplex, dass bei modernen Verkehrsflugzeugen gar nicht mehr von einem einzigen Klappensystem gesprochen werden kann: jeder Meter Tragfläche wird ausgenutzt, anstatt einer einzigen Methode der Auftriebsvergrößerung werden Kombinationen verwendet, dazu werden zusätzliche Auftriebshilfen wie Vorflügel montiert und es werden Leitbleche montiert, die die Luftströmungen gezielt umleiten.
Grundsätzlich haben aber alle modernen „Passier Jets“ Fowler Klappen als grundlegendes System an der Hinterkante der Tragflächen, die eben zu den
Hochleistungsklappen
zählen. Fowler Klappen unterscheiden sich in der Anströmung und Positionierung von den Wölbklappen dadurch, dass sie nicht einfach „den Flügel abknicken“, sondern etwas Distanz zur eigentlichen Tragfläche erzeugen.
Der dabei entstehende Spalt wird nicht nur dazu genutzt, die Umströmung der Tragfläche insgesamt zu verbessern, er dient praktisch als „virtuelle Tragfläche“: die Strecke, die der Spalt erzeugt ist für den Luftstrom der Tragfläche so, als wäre an dieser Stelle „Material“. Dadurch „verlängert“ sich die Tragfläche nach hinten, was den Auftrieb zusätzlich erhöht.
Fowler Klappen erzeugen deutlich mehr Auftrieb bereits bei kleineren Klappenstellungen als einfachere Designs wie die Wölbklappe. Man kann von bis zu (und teilweise über) 90 Prozent mehr beim oben schon erwähnten Auftriebskoeffizienten ausgehen. Damit ist deren Effizienz bis zu doppelt so hoch wie die von einfachen Klappendesigns.
Diese komplexere und wartungsintensivere Bauform wird bei kleineren und langsameren Flugzeugen im Regelfall nicht verwendet. Ausnahmen sind Flugzeuge für extrem kurze Start- und Landebahnen, wie beispielsweise Buschflugzeuge.
Bei größeren Flugzeugen, wie „Passagier Jets“ wird hier aber noch viel mehr Aufwand betrieben.
Nicht nur, dass hier die gerade beschriebenen „Fowler Flaps“ oftmals gleich mehrteilig sind (bis zu drei hydraulisch von der Tragfläche weg fahrende Teile mit dann auch drei „Lücken“ sind hier keine Seltenheit, es werden auch zusätzlich noch an der Vorderkante der Tragflächen sogenannte „Vorflügel“ ausgefahren. Diese „Slats“ fallen den Passagieren meist weniger auf, als die großen „Flächen“ hinten, sind aber notwendig um den ersten Teil des Anflugs auf einen Flughafen (und einen Teil des Steigflugs) möglichst effizient zu machen.
„Slats“ bzw. Vorflügel erzeugen nur minimalen Widerstand, im Vergleich zu den hinteren Klappen, und verändern auch die Trimm-Lage nur minimal, es muss also wenig bis gar nicht korrigiert werden, wenn sie aus- oder eingefahren werden. Das wiederum macht nicht nur den Flug bei höheren Geschwindigkeiten, aber eben nicht schnell genug für eine „Gar keine“ Klappenstellung, effizient und passagierfreundlich.
Bedenkt man nun, dass größere „Passagier Jets“ an jeder Tragfläche hinten gleich mehrere dieser „Fowler Flaps mit Bonus“, teilweise bis zu 4 Stück, also 3 x 4 = 12 Segmente haben und dann am Vorflügel nochmal bis zu 5 Segmente pro Tragfläche ausgefahren werden, bekommt man langsam einen Eindruck davon, wie komplex dieser Teil des Flugzeugs ist.
Die Ansteuerung der Klappen
Alle Klappen, egal wie einfach oder wie kompliziert, verändern die Flugeigenschaften einer Tragfläche fundamental.
Aus diesem Grund obliegt die Ansteuerung, bis auf wenige Ausnahmen, der Besatzung. Wer auch immer gerade das Flugzeug steuert, muss unbedingt wissen, welche Klappen ausgefahren, welche eingefahren sind. Alleine schon, um weiterhin im notwendigen Geschwindigkeitsbereich unterwegs zu sein, der über der Mindestfahrt vor einem Strömungsabriß in der gewählten Klappen-Konfiguration sein muss, aber auch unter der maximalen Geschwindigkeit für die gewählte Klappenstellungen sein muss.
Klappen sind nämlich nicht endlos belastbar. Sie unterliegen hohen Kräften und sind nur für niedrigere Geschwindigkeiten gebaut, als die „saubere“ Tragfläche ohne Klappen. Dazu kommt, dass auch die maximalen Gewichtskräfte, die Klappen aushalten, niedriger sind als die der Tragflächen selbst.
Aus diesem Grund sind nur sehr wenige Klappensysteme für den oberen Geschwindigkeitsbereich von Flugzeugen gebaut. Die früher verwendeten „Sturzkampfbomber“ sind eine eben solche Ausnahme wie die Gulfstream Business Jets, die mit viel Aufwand zu „real life“ Simulationen des Space Shuttles umgebaut wurden. Aber zu Beidem ein anderes Mal.
(Fehl-)funktionen
Klappen können also, wie eben beschrieben, überlastet werden. Dass das nicht geschieht, dazu werden Besatzungen geschult. Bei großen Passagierjets mit der Verantwortung für viele Menschenleben in einem einzigen technischen Gerät, wird hier aber in neuester Zeit mehr Aufwand getrieben.
Je nach Hersteller ist einer oder mehrere Computer exklusiv dazu da, die Ansteuerung dieser Systeme zu koordinieren, zu erlauben, zu verbieten und vor allem zu überwachen.
Zu überwachen deshalb, weil man sich auch als aerodynamischer und fliegerischer Laie vorstellen kann was passiert, wenn die Besatzung von einer weit ausgefahrenen Klappenstellung an beiden Tragflächen aus geht, die eine sehr niedrige Anfluggeschwindigkeit im letzten Teil des Landeanflugs ermöglicht, dann aber durch einen plötzlichen Strömungsabriß an einer der Tragflächen erkennen muss, dass irgendwo an beispielsweise der linken Tragfläche die Hydraulik versagt hat und dort nur 1/4 der geforderten Auftriebsverstärkung durch Ausfahren der Klappen erfolgt ist.
Um diese – teilweise unrettbaren – Situationen zu verhindern, wurde in den letzten 50 Jahren sehr viel technischer Aufwand betrieben, um beim kleinsten Problem sofort, automatisch und von der Besatzung unabhängig „Sicherungsmaßnahmen“ durchzuführen. So werden Überlastungen der Technik, die zu einem Bruch von Teilen führen könnten, durch sofortige Inaktivierung der Stellmechanismen beseitigt. Es wird gewarnt, wenn Klappen insgesamt, oder ein Teil von ihnen, nicht so ausfährt, wie gewünscht. Und es wird beim Wiedereinfahren eine teil-ausgefahrene Stellung beibehalten, wenn nicht sicher gestellt ist, dass beide Seiten gleich weit einfahren würden.
Nun sind diese Maßnahmen je nach Hersteller, Typ und Baujahr unterschiedlich und für jedes spezifische Muster sind lange Schulungen der Besatzungen und der Wartungsteams vorgesehen, damit hier maximale Sicherheit geschaffen werden kann. Man hat aus zahlreichen Unfällen gelernt und ist den Weg gegangen, der zwar zu mehr Flugabbrüchen als früher führt, aber dafür einfach das „letzte Bisschen Restrisiko“ weitestgehend eliminiert.
Heute muss man keine Sorge mehr haben, dass (in einem Passagier-Jet) durch einen Klappendefekt der Flug ein jähes vorzeitiges Ende haben wird. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass ein Flug kurze Zeit nach dem Start wegen einer nicht korrekt einfahrenden Landeklappe beendet wird: Man lässt (bei Langstreckenflugzeugen) Treibstoff ab, um ein Landegewicht zu erreichen, das die Strukturen nicht überlastet (so wie am Zielort, nachdem der Treibstoff auf der Strecke genutzt worden wäre und somit das Gewicht reduziert worden wäre) und landet mit der vom Computer ermittelten Konfguration.
Dabei treten heutzutage nur noch äußerst selten Asymmetrien auf, die aber auch dann, weil bekannt, kompensiert werden können. Leider machen die Medien, die ja Leser und Zuschauer anziehen wollen, aus solchen kleineren Störungen gleich ein Drama, bei dem es „um Leben und Tod“ ging oder, je nach politischer und ideologischer Ausrichtung, „Unmengen an Kerosin abgelassen wurden“.
Dieser letzte Abschnitt steht übrigens direkt unter dem noch frischen Eindruck des letzten einer langen Reihe von technischen Defekten an Maschinen der Flugbereitschaft des Deutschen Bundes. Genauer, unter dem beständigen Zurechtbiegen der Fakten vieler „Nachrichten“, zum Thema.
Deshalb in diesem Zusammenhang erneut:
- Technische Defekte passieren
- Man geht immer auf Nummer Sicher, denn Kraftstoff ist ersetzbar, Menschenleben nicht
- Technische Defekte können auch zweimal hintereinander passieren
- Sogar, wenn zwischen dem Auftreten ein „problemloser“ (Test-)flug stattgefunden hat
Die Flugbereitschaft hält sich an die Wartungsvorgaben, die Besatzungen sind handverlesen, die Maschinen sind weder überaltert noch „Gurken“.
Die Häufung der Probleme bei den 23/24 außer Dienst zu stellenden Airbus A340-300 ist mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Kombination aus reichlich Pech im Wahrscheinlichkeits-Pool und der Tatsache, dass diese Maschinen einfach sehr wenig fliegen. Hat ein Langstreckenflugzeug dieser Art im Linienbetrieb Flugstundenzahlen von 3000 bis 6000 (!) Flugstunden pro Jahr, flieg die Flugbereitschaft unter dem Druck der Kostenbegrenzung und dem nie enden wollenden Genörgel derer, die ihren politischen Gegner durch einen Linienflug bei einem Auslandsbesuch im Ruf beschädigen wollen, nur vergleichsweise wenige Stunden im Jahr.
Kurz: Flugzeuge sind komplexe mechanische Gebilde, die eine Anzahl an sensiblen elektronischen, optischen und hydraulischen Systemen beherbergen, die allesamt einwandfrei zusammen funktonieren müssen. Je größer das Flugzeug, desto komplexer. Je komplexer desto „empfindlicher“ sind die Ingenieure in Sachen „Toleriertem Ausfall“, denn Sicherheit ist alles. Sich darüber zu beschweren ist so dumm, wie es nur geht und leider viel zu oft in böser Absicht durchgeführt.